Ambulante Alkoholbetreuung im Dialog - was passiert da?
Ursula Zeisel im Gespräch mit Dr.in Cornelia Schwanke, Ärztin für Allgemeinmedizin in der Beratungsstelle Modecenterstraße
Ursula: Welche Problemlagen haben Personen, die eine ambulante Alkoholbetreuung in Anspruch nehmen?
Cornelia: „Es gibt die Klient_innen, die keine stationäre Behandlung in Anspruch nehmen können, weil sie Betreuungspflichten haben, etwa gegenüber Kindern, Partner_innen oder Haustieren oder weil sie arbeiten und dort nicht erzählen wollen, dass sie ein Suchtproblem haben. Eine andere Personengruppe hat als Ziel einen kontrollierten Konsum von Alkohol und möchte deshalb eine ambulante Betreuung – sie wollen weniger bzw. weniger gesundheitsschädlich Alkohol konsumieren. Stationäre Einrichtungen sind immer abstinenzorientiert – das heißt, man muss mit dem Alkoholkonsum komplett aufhören. Das ist für einige nicht vorstellbar.
Ursula: Ambulanter Alkoholentzug – was kann man sich darunter vorstellen?
Cornelia: Ein ambulanter Alkoholentzug findet in einer engmaschigen psychosozialen und medizinischen Betreuung statt. Das heißt, die Patient_in muss mehrmals die Woche in den Dialog kommen und bekommt Medikamente – zumeist Benzodiazepine – gegen die Entzugssymptomatik und eventuell auch gegen Schlafprobleme, die häufig im Entzug auftreten. Ein Entzug dauert cirka 10 bis 14 Tage.
Ursula: Wie kann man verhindern, dass die Patient_in nicht von den verordneten Benzodiazepinen abhängig wird?
Cornelia: Benzodiazepine machen auf längere Sicht abhängig, deshalb ist ein Therapieplan wichtig. Sie werden bei einem ambulanten Entzug nur kurz und nicht auf längere Sicht verschrieben, nur in sehr niedrigen Dosen und sie müssen reduziert werden.
Ursula: Welche Aufgabe hat die Ärzt_in, welche die psychosoziale Betreuer_in in der ambulanten Alkoholbehandlung?
Cornelia: Eine engmaschige Betreuung ist sehr wichtig und hilfreich. Die Ärzt_in ist für die Medikamentenverordnung zuständig und kontrolliert den Gesundheitszustand der Patient_in. Die psychosoziale Betreuer_in spricht mit der Klient_in ein bis zweimal die Woche, auch während eines ambulanten Entzuges, um Coping-Strategien – also alternative Handlungsmöglichkeiten – zu finden, bespricht eventuell ein Trinktagebuch, in dem das Konsummuster beschrieben wird, und unterstützt bei sozialen und existenziellen Problemen. Zusätzlich zur Einzelbetreuung gibt es im Dialog auch Gruppen für Menschen mit einem Alkoholproblem, wo man sich mit anderen austauschen kann, und einen Abendbetrieb für Menschen, die berufstätig sind.“
Ursula: Zum Abschluss noch eine Frage: Woran merke ich, ob ich einen problematischen Alkoholkonsum habe?
Cornelia: Der Übergang von einem gemäßigten zu einem problematischen Konsum ist oft fließend. Man sollte sich selbst kritische Fragen stellen wie: Trinke ich regelmäßig mehr als die vier (für Frauen) oder fünf (für Männer) Standardgläser (10-12 Gramm Alkohol) Alkohol? Habe ich einmal im Monat oder öfters einen Kontrollverlust? Trinke ich Alkohol, weil ich Problem in der Arbeit oder meinen Beziehungen habe? Wenn ich eine dieser Fragen mit ja beantworten kann, ist es in jedem Fall sinnvoll, Beratung und Unterstützung in Anspruch zu nehmen.