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Was passiert im Rahmen der Früherkennung in den Dialog-Standorten?

Wenn man von jemandem, der „hierarchisch über einem steht“ – wie es Schuldirektor_innen oder Führungskräfte sind – aufgefordert wird, in eine Suchtberatungsstelle zu gehen , wirft das viele Fragen auf. Was bedeutet das? Was wird dort passieren? Deshalb hier ein kurzer Überblick:

Ganz prinzipiell hat Früherkennung das Ziel, einen möglicherweise problematischen Substanzkonsum so früh zu erkennen und anzusprechen, dass keine negativen Folgen aus diesem Konsum entstehen. 

Im Dialog wissen wir, dass ein erster Kontakt mit einer Suchtberatungsstelle kein einfacher Weg ist. Wir nehmen uns daher Zeit und erklären sehr ausführlich, was dort passiert. Eine „§13- Schulweisung“ bedeutet, dass eine Schüler_in in einer Einrichtung eine Abklärung durchläuft, bei der festgestellt wird, ob ein behandlungsrelevantes Konsumproblem vorliegt oder nicht. Wenn also ein junger Mensch von der Schule zur Abklärung geschickt wird, laden wir die Schüler_in zu uns ein und es führen zwei Kolleg_innen, meist eine psychosoziale Betreuer_in und eine Ärzt_in, zumindest drei Gespräche an verschiedenen Tagen mit ihr. Wir fragen nicht nur nach dem Grund, warum sie hier ist, und dem fraglichen Konsum von Substanzen, wir fragen auch, wie es ihr in den unterschiedlichen Lebensbereichen geht: Es interessiert uns, wie es in der Schule läuft und ob es Perspektiven für die Zukunft gibt, wir wollen wissen, ob es Freund_innen gibt und welchen Einfluss diese haben. Wir fragen nach Strategien im Umgang mit Enttäuschungen und Konflikten, wir wollen wissen, was es im Leben gibt, das Spaß macht und eine positive Ressource ist. So bekommen wir ein Gesamtbild von einem Menschen und können einschätzen, ob jemand gefährdet ist, Suchtmittel problematisch zu konsumieren. Die Jugendlichen müssen auch einen unangenehmen Teil absolvieren und zumindest eine Harnprobe abgeben, die auf Suchtmittel untersucht wird. Gesprächsinhalte werden auf Grund der strengen Verschwiegenheit, die eine Suchtberatungsstelle hat, nicht an die Schule oder an Obsorgeberechtigte weitergegeben.

Auch mit den besorgten oder verärgerten Eltern wird ein Gespräch geführt, in dem wir versuchen zu erklären, was mit ihrem Kind passiert. Dabei haben sie aber auch die Möglichkeit, ihre Befindlichkeit zu besprechen. Denn für die meisten obsorgeberechtigten Personen ist es besorgniserregend, wenn die Schule den Verdacht hat, dass das Kind illegale Suchtmittel konsumiert.

Die Kommunikation darüber, ob Termine stattgefunden haben und was das Ergebnis der Abklärung ist, läuft schriftlich – zumeist über eine Ambulanzkarte. Die gute Nachricht: Bei einem sehr großen Teil ist nach der Abklärung Schluss, es gibt keine weitere Behandlungsempfehlung in einer Suchtberatungsstelle. Dennoch hat die Jugendliche erfahren, dass es Menschen gibt, die sich um sie sorgen, und dass es okay ist, sich Hilfe in einer Einrichtung / bei Expert_innen zu holen. Sollte sich herausstellen, dass eine Schüler_in wirklich ein Problem entwickelt, bieten wir eine Behandlung/Betreuung an und auch Eltern wird eine Angehörigenberatung angeboten.

Wenn ein Betrieb eine Mitarbeiter_in schickt, passiert das für gewöhnlich auch, weil man sich als Vorgesetze um die Mitarbeiter_in sorgt und sie unterstützen möchte, damit sie den Arbeitsplatz behalten kann. Gleichzeitig ist es aber dem Arbeitgeber wichtig, dass Substanzkonsum oder dessen Folgen keine negativen Auswirkungen auf die Arbeitsleitung haben. Mitarbeiter_innen nehmen ihre „verordneten“ Gespräche in der Suchtbehandlung sehr unterschiedlich auf: Es kann sein, dass sie ein Problem negieren, aber sehr wohl zu einer Verhaltensänderung bereit sind, damit sie den Arbeitsplatz halten können. Es kann aber auch sein, dass sie sehr froh sind, vorhandene Probleme, vielleicht zum ersten Mal, offen an- und aussprechen zu können. Als Suchthilfeeinrichtung ist es uns hier ein großes Anliegen, dafür Raum zu geben, was woanders nicht besprochen werden kann. Es ist aber auch wichtig, mögliche Konsequenzen aufzuzeigen, Informationen zum Thema Sucht(mittelkonsum) und Arbeit zu geben und zu Hilfsangeboten zu vermitteln.

Die Verschwiegenheit ist gerade in diesem Bereich ein wichtiges Thema. Die Führungskraft erfährt von uns nichts: nicht ob jemand hier war, nicht was besprochen wurde, nicht ob und was an Substanzen konsumiert wurde. Wir sind aber immer bemüht, gemeinsam einen Weg zu finden, damit die Mitarbeiter_in ihrer Arbeitgeber_in zeigen kann, dass sie ernsthaft bereit ist, etwas zu unternehmen. Schriftliche Zeitbestätigungen eigenen sich als Beleg für wahrgenommene Termine sehr gut. 

All das zeigt: Die Aufforderung, sich in einer Suchtberatungsstelle abklären oder beraten zu lassen, mag zwar Anlass für Sorge sein, die Gespräche dort braucht man nicht zu fürchten – diese können sogar dazu beitragen,  Sorgen weniger werden zu lassen!