Stationär oder ambulant? - Das ist hier die Frage!
Ursula Zeisel im Gespräch mit Dr. Mircea Pop, Facharzt für Psychiatrie am (ambulanten) Dialog Standort Individuelle Suchthilfe Modecenterstraße und im (stationären) Zentrum für Suchtkranke an der Klinik Penzing
Wovon hängt die Entscheidung ab, ob jemand einen stationären oder einen ambulanten Entzug bzw. eine Suchtbehandlung machen soll?
Zuerst einmal muss man mit der Patient_in besprechen, welche Wünsche, Vorstellungen und Möglichkeiten sie hat. Gemeinsam wird überlegt, was am besten passt. Es gibt diverse Gründe, warum jemand gerade keine stationäre Therapie machen kann: Das können Haustiere sein, auf die man schauen muss, oder die Pflege von Familienangehörigen.
Für eine stationäre Aufnahme zu einem Entzug gibt es auch immer längere Wartezeiten. Patient_innen sind aber oft jetzt gerade motiviert, jetzt ist „der richtige Moment“ für sie. Deshalb entscheiden wir manchmal, diesem Drängen nachzugeben und diese Motivation zu nutzen und sehr rasch mit einem ambulanten Entzug, zumindest als Versuch, zu beginnen. Wenn das nicht klappt, die Person aber immer noch motiviert ist, kann man immer noch den Plan ändern und doch einen stationären Entzug machen.
Wann ist stationäre Therapie für eine Person mit einem Suchtproblem indiziert? Bei welchen zusätzlichen psychischen oder körperlichen Problemen?
Wie viel Kontrolle braucht jemand bzw. wie viel Selbstkontrolle hat jemand? Wir müssen gemeinsam mit der Patient_in einschätzen, ob es ihr gelingen kann, im ambulanten Setting, wo keine strenge Kontrolle möglich ist, im Rahmen eines Entzuges abstinent zu bleiben. Die Menschen wissen das von sich selbst sehr gut und können das gut einschätzen.
Auch der allgemeinmedizinische bzw. somatische Zustand spielt eine Rolle. Umso schlechter/prekärer/instabiler der Allgemeinzustand ist, umso eher wird man sagen: „Ein ambulanter Entzug ist nicht gut, es ist besser, wenn jemand ständig da ist und die Patient_in im stationären Setting überwacht wird und man eingreifen kann, wenn es notwendig wird“.
Wann ist eher ambulante Therapie indiziert?
Ob jemand einen stationären oder einen ambulanten Entzug macht, ist auch eine Frage der Substanzen, von der jemand abhängig ist. Ein Alkoholentzug ist ambulant möglich, bei andern Substanzen wie Opiate, Benzodiazepine, GBL ist ein ambulanter Entzug die absolute Ausnahme.
Bei welchem Konsummustern wird man einen stationären Entzug empfehlen?
Wenn es einen massiven Konsum über längere Zeit gegeben hat, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es zu Beschwerden und Komplikationen während des Entzuges kommt und somit gefährlich sein kann. Dann raten wir Patient_innen auch von einem ambulanten Entzug ab und bestärken sie, einen stationären Entzug zu machen.
Was gilt es beim sozialen Umfeld der Patient_in zu beachten?
Bei einem ambulanten Entzug muss jemand auf die Person aufpassen bzw. bei Bedarf Hilfe holen. Es kann nämlich zu einem Delirium kommen oder zu entzugsepileptischen Anfällen. Wenn also jemand ganz alleine ist und niemand fragt nach oder kümmert sich darum, was mit der Person passiert, ist das nicht gut.
Das Umfeld sollte auch unbedingt schützend sein und nicht zum Konsum verleiten.
Was passiert in einer stationären Therapie?
In den einzelnen Einrichtungen wird unterschiedlich gearbeitet, in der Klinik Penzing passiert es auf folgende Art:
Alkohol wird sehr spezifisch mit Medikamenten entzogen, in Österreich passiert das mit einer Einstellung auf Benzodiazepine in keiner bestimmten Dosis, um die Entzugssymptome zu mildern. Diese werden aber sofort wieder reduziert und rasch abgesetzt, weil sie nicht unbedenklich sind, sondern Nebenwirkungen haben, wie etwa ein hohes Abhängigkeitspotential. Eventuell werden bei Bedarf auch andere Medikamente gegeben. Benzodiazepine sind aber in jedem Fall unentbehrlich im Alkoholentzug.
Für andere Substanzen wird die spezifische medikamentöse Therapie je nach Symptomen (wie z. B. Unruhe, Krämpfe) eingeleitet.
Welche medizinischen Behandlungen gibt es beim Entzug?
Die Patient_innen werden ständig beobachtet, es erfolgen auch laufend Blutabnahmen, damit keine Komplikationen stattfinden bzw. man frühzeitig eingreifen kann.
Somatische Begleiterkrankungen, also „alles, was Beschwerden macht“ zum Beispiel Erkrankungen von Lunge, Haut oder Wirbelsäule werden mitbehandelt. Es gibt dafür Konsiliarärzt_innen auf der Station.
Gibt es zusätzliche zur medizinischen Behandlung Angebote? Wie ist der Tagesablauf ?
In den ersten Tagen steht der körperliche Entzug mit allen Beschwerden im Vordergrund. Zusätzlich wird aber schon mit psychotherapeutischen Gesprächen begonnen, sowohl in der Gruppe als auch im Einzelsetting. Auch Beschäftigung ist Teil des stationären Aufenthaltes: Es gibt etwa Gartenarbeit, Ergotherapie, Spazierengehen, Gruppenausgänge. Je nach körperlicher Befindlichkeit nehmen die Patient_innen teil. Die Tagesstruktur wird natürlich wichtiger, wenn es ihnen bessergeht und sie sich körperlich wohler fühlen.
Während des Aufenthaltes wird vom ersten Tag an die Nachbetreuung mitbedacht, mitbesprochenund auch mitorganisiert. Das ist absolut wichtig. Mit dem körperlichen Entzug alleine ist es nicht getan. Die Umstellung vom Gehirn und die Entwöhnung vom Suchtverhalten dauert monatelang im Gegensatz zum körperlichen Entzug. Machen Patient_innen wissen das ganz genau, aber hier ist auch manchmal viel Überzeugungsarbeit von uns notwendig.
