Wo gearbeitet wird, da fallen Späne. Betriebliche Suchtprävention als Weg, Erwachsene zu erreichen.
Kleine Kinder erreicht man über die Familie, größere in der Schule. Jugendliche erreicht man ebenfalls in der Schule, in der Lehrausbildung oder im Jugendzentrum. Und Erwachsene?
Während es eigene Programme für erwerbslose Menschen in AMS-Maßnahmen gibt und einige wenige Programme in der Freizeit Erwachsener ansetzen, kommen viele nicht mit Suchtprävention in Kontakt. Erwachsene per se sind keine homogene Gruppe, es gibt wenige verpflichtende Rahmen, in denen ein problematischer Konsum thematisiert werden kann. Einer davon ist für Erwerbstätige der Arbeitsplatz – und deswegen kommt der betrieblichen Suchtprävention eine besondere Bedeutung zu.
Viele Betriebe setzen sich verstärkt mit dem Thema im Rahmen der Gesundheitsförderung auseinander. Dabei stehen Arbeitnehmer_innenschutz, insbesondere die Vermeidung von Unfällen, der Erhalt der Arbeitsfähigkeit sowie die individuelle Sorge um Mitarbeiter_innen, deren Konsum auffällt. im Vordergrund. Wenn wir Führungskräfte und/oder Ausbildner_innen schulen, befähigen wir sie, Alarmsignale zu erkennen, Interventionen zu setzen und problematisch konsumierende Mitarbeiter_innen zu einer Behandlung zu motivieren. All das sind wichtige Maßnahmen, was jedoch zumeist weniger Beachtung findet, ist Suchtprävention für die gesamte Belegschaft. Dabei können schon kleine Aktionen viel bewirken.
Man kann zwischen zwei Zugängen unterscheiden. Der erste betrifft Maßnahmen, um den Arbeitsplatz und –alltag suchtpräventiv zu gestalten, das heißt, die Beschäftigung zum Schutzfaktor für eine Suchterkrankung zu machen. Hier geht es viel um die Gestaltung des Arbeitsplatzes, den Umgang mit Stress, die Mitbestimmung der Mitarbeiter_innen und die generellen Arbeitsbedingungen. Das Thema lässt sich auf eine simple Formel bringen: Erleben die Werktätigen die Arbeit als Belastung oder als Bereicherung? Zusätzliche Akzente können im Bereich der Pausen- und Feierkultur gesetzt werden. Auch spezielle Angebote im Rahmen der Gesundheitsförderung wie Unterstützung bei der Raucherentwöhnung oder Entspannungsübung haben suchtpräventiven Charakter.
Der zweite Ansatz besteht in der Sensibilisierung und Enttabuisierung. Allein, wenn ein Betrieb sich offensichtlich mit Sucht auseinandersetzt und zum Beispiel einen Stufenplan oder eine Interventionskette entwickelt, ist das ein klares Signal an die Mitarbeiter_innen: Das Thema wird aus dem Geheimen geholt und auf offener Bühne verhandelt. Das kann Anlass sein, sich mit dem eigenen Konsumverhalten auseinanderzusetzen, zumal der Wille, suchtkranke Mitarbeiter_innen zu unterstützen und nicht zu sanktionieren, ausgedrückt wird. Das Auflegen von Foldern oder anderer Informationen über Beratungsstellen kann ebenso genutzt werden wie das Intranet, um das Thema Konsum aufzugreifen. Eine besondere Plattform bieten Gesundheitstage. Unsere Erfahrung zeigt: Um den Stand zum Thema Sucht machen die meisten einen Bogen, um gar nicht in den Verdacht zu kommen, damit zu tun zu haben. Deshalb setzen wir gerne einladende Akzente: Quiz- und Schätzfragen befeuern die Motivation, das eigene Wissen zu testen, Drogenmythen laden zu unverfänglichen Diskussionen ein und eine Rauschbrille kann in diesem Kontext eingesetzt werden, um ins Gespräch zu kommen. Wir erleben, dass genau das passiert: Ist das Eis einmal gebrochen, wird über eigene Erfahrungen und/oder die von Kolleg_innen und Angehörigen gesprochen – ein wichtiger erster Schritt, um Beratungsangebote bekanntzumachen.
Dennoch ist die Scheu, betriebliche Suchtprävention auf die eigene Person umzulegen, oft sehr groß. In Lehrer_innenschulungen wird viel über den Konsum von Schüler_innen gesprochen, kaum jedoch über den eigenen. Führungskräfte werden im Umgang mit konsumierenden Mitarbeiter_innen geschult, dass sie selbst ein hohes Risiko haben, einen problematischen Konsum zu entwickeln, wird nur am Rande erwähnt. Es gibt also noch viel zu tun, auch wenn erste Schritte in die richtige Richtung gemacht werden. Um Erwachsene in ihrer Lebenswelt abzuholen, bietet sich der Arbeitsplatz jedenfalls an.